Wer ein Bauprojekt realisieren will, muss sowohl die öffentlich-rechtlichen (Bauordnung, Zonenplan) als auch die privatrechtlichen Baubeschränkungen beachten. Letztere sind im Grundbuch als Dienstbarkeiten eingetragen.
Der Inhalt einer Dienstbarkeit ist ein Dulden oder ein Unterlassen seitens des belasteten Grundeigentümers. Beispielsweise duldet ein Eigentümer ein Wegrecht über sein Grundstück, oder er unterlässt es, auf einem bestimmten Teil seines Grundstücks ein Gebäude zu errichten, obschon er dies nach öffentlichem Recht dürfte.
Das Wort «Dienstbarkeit» bringt zum Ausdruck, dass das Grundstück einer anderen Person als dem Eigentümer «dienstbar» gemacht ist. Anstelle von Dienstbarkeiten wird oft auch von Servituten gesprochen; es handelt sich hierbei um Synonyme.
Durch die Belastung einer Dienstbarkeit erfährt ein Grundstück in der Regel eine Wertminderung. Diese ist aber normalerweise viel kleiner als die Wertvermehrung, von der das berechtigte Grundstück profitiert.
Errichtung und Arten von Dienstbarkeiten
Zur Errichtung einer Dienstbarkeit ist ein öffentlich beurkundeter Vertrag durch eine Urkundsperson (Notar) notwendig.
Die Dienstbarkeit entsteht jedoch erst mit dem Eintrag im Grundbuch. Die Dienstbarkeiten werden unterteilt in Grunddienstbarkeiten und Personaldienstbarkeiten. Bei einer Grunddienstbarkeit ist der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks belastet und der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks berechtigt (Beispiele: Näherbaurecht, Leitungsrecht). Bei einer Personaldienstbarkeit dagegen ist eine bestimmte Person berechtigt, während der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks belastet ist (Beispiele: Wohnrecht, Nutzniessung).
Grundsätze der Ausübung
Ein Dienstbarkeitsberechtigter hat sein Recht in möglichst schonender Weise auszuüben (Art. 737 Abs. 2 ZGB), während der Belastete nichts vornehmen darf, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert (Art. 737 Abs. 3 ZGB).
Ein dienstbarkeitsbelasteter Nachbar kann sich klageweise wehren, wenn er wegen eines bevorstehenden Bauvorhabens befürchtet, dass sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks ändern und dadurch eine unzulässige Mehrbelastung entsteht (Art. 739 ZGB).
Dauer
Eine Dienstbarkeit dauert grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Löschung im Grundbuch, die durch eine schriftliche Erklärung des Berechtigten erfolgt. Dieser kann sein Begehren allein beim Grundbuchamt einreichen. Der belastete Eigentümer hat dabei nicht mitzuwirken. Der Grund der Löschung muss gegenüber dem Grundbuchamt auch nicht angegeben werden. Mit der Löschung im Grundbuch geht die Dienstbarkeit unter.
Ist eine Dienstbarkeit zeitlich limitiert, geht diese mit dem Zeitablauf unter. Bei einem Wohnrecht und einem Nutzniessungsrecht erlischt die Dienstbarkeit spätestens mit dem Tod des Berechtigten.
Wichtig: Eine Dienstbarkeit dauert so lange, wie diese im Grundbuch eingetragen ist. Eine Dienstbarkeit kann nicht verjähren, und sie kann auch nicht untergehen, wenn sie während längerer Zeit nicht ausgeübt worden ist. Es gibt aber Möglichkeiten, wie ein Belasteter eine Dienstbarkeit im Grundbuch löschen oder verlegen lassen kann.
Ablösung und Verlegung einer Dienstbarkeit
Hat eine Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren, kann der Belastete beim Gericht ihre Ablösung, das heisst die Löschung, verlangen (Art. 736 Abs. 1 ZGB). Es muss in einem solchen Fall richterlich geprüft werden, ob der Berechtigte noch ein Interesse daran hat, die Dienstbarkeit zum ursprünglichen Zweck auszuüben. Eine solche Löschung kommt oft bei sehr alten Dienstbarkeiten vor. Bei noch vorhandenem, aber geringem Interesse kann im Einzelfall die Dienstbarkeit gegen Entschädigung des Berechtigten ganz oder teilweise abgelöst werden (Art. 736 Abs. 2 ZGB).
Es ist auch möglich, dass eine Dienstbarkeit, die örtlich beschränkt ist (z. B. ein Wegrecht), ein Bauprojekt verhindert. In diesem Fall kann der belastete Grundeigentümer auf seine Kosten die Verlegung der Dienstbarkeit auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen (Art. 742 Abs. 1 ZGB).
Löschung von Amtes wegen und auf Begehren
In wenigen Fällen kann eine Dienstbarkeit von Amtes wegen durch das Grundbuchamt gelöscht werden (Art. 976 ZGB). Möglich ist dies beispielsweise, wenn der Grundbucheintrag befristet und die Frist abgelaufen ist oder wenn die Dienstbarkeit wegen der örtlichen Lage das belastete Grundstück nach einer Parzellierung gar nicht mehr betreffen kann.
Auch ein belasteter Grundeigentümer kann beim Grundbuchamt ein Löschungsbegehren stellen. Allerdings muss er darlegen, dass der Grundbucheintrag höchstwahrscheinlich keine rechtliche Bedeutung hat, insbesondere weil er gemäss den Belegen oder Umständen das Grundstück nicht betrifft (Art. 976a Abs. 1 ZGB).
In diesem Fall ist ein besonderes Verfahren durch das Grundbuchamt durchzuführen, wobei der Dienstbarkeitsberechtigte beigezogen wird.
Weitere Möglichkeiten
In Einzelfällen kann der Kanton ein öffentliches Bereinigungsverfahren durchführen (Art. 976c ZGB). Auch sieht das Raumplanungsgesetz vor, dass die Kantone in ihren Baugesetzen bauhindernde Dienstbarkeiten, die eine innere Verdichtung und somit die notwendige rationelle Nutzung des Bodens verhindern, auf dem Wege der Enteignung ablösen können (Art. 15a RPG).
Fazit
Wer ein Grundstück erwerben oder überbauen will, muss sich vorgängig – neben der Konsultation der öffentlich-rechtlichen Vorschriften – vergewissern, welche Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen sind, da diese ein Bauprojekt verhindern können.
Das Grundbuch geniesst öffentlichen Glauben, das heisst, was im Grundbuch eingetragen ist, wird als bekannt vorausgesetzt. Ein Eigentümer kann sich nicht nachträglich darauf berufen, dass er von einer Dienstbarkeit nichts gewusst habe.
Roland Pfäffli Prof. Dr. iur., Notar, Thun Konsulent bei Von Graffenried Recht, Bern
Mascha Santschi Kallay Dr. iur., Rechtsanwältin, Meggen Konsulentin bei epartners Rechtsanwälte AG, Zürich