Leerstände stellen für private Immobilieneigentümer sowie für professionelle Makler ein finanzielles Risiko dar, das nicht unterschätzt werden sollte. Private Vermieter, aber auch professionelle Verwalter stehen diesen Leerständen oft hilflos gegenüber. Das ist unerfreulich, denn jede neu vermietete Liegenschaftsfläche, ob Gewerbe oder Wohnung, bedeutet für das Quartier ein neues Stück Vielfalt. Sie trägt für die ansässige Bevölkerung aktiv zur Steigerung der Lebensqualität und zur Stärkung der Attraktivität des Wohnumfeldes bei.
Der Anstieg der Leewohnungsziffer dauert nun schon seit 10 Jahren an. Auch in diesem Jahr zählt das BFS 4,6 Prozent mehr leerstehende Mietobjekte als noch im Vorjahr. Aktuell stehen 1,72 Prozent des Gesamtwohnungsbestands leer. Folglich herrscht in der Schweiz auch in diesem Jahr keine Wohnungsknappheit – eine solche wird jeweils bei Werten unter 1,5 Prozent geltend gemacht. Das Rekordhoch von 1998 (1,85 Prozent) wurde somit nicht überschritten – entgegen der Schätzungen der Experten, die aufgrund der Covid-19-Krise im Sommer den Teufel an die Wand malten.
Die Grossregion Tessin verzeichnet den höchsten Anstieg der Leerwohnungsziffer – von +0,42 Prozentpunkte auf 2,71 Prozent – und bleibt somit weiterhin an der Spitze jener Kantone mit der grössten Anzahl leerstehender Mietobjekte in der Schweiz. Allein zwei der sieben Schweizer Grossregionen verspürten einen leichten Rückgang. Der Wohnungsleerstand in der Ostschweiz und dem Espace Mittelland fällt um -0,08 bzw. -0,02 Prozentpunkte. Somit verzeichnen diese beiden Gebiete nun neu 2,08 Prozent bzw. 2,13 Prozent leerstehende Wohnungen. Die Städte Zürich und Basel bewegen sich seit einigen Jahren um die 1-Prozent-Grenze: Zürich zählt dieses Jahr 0,89 Prozent und Basel-Stadt 1,02 Prozent Leerbestand. Genf und Zug dagegen bilden mit 0,54 Prozent bzw. 0,42 Prozent das Schlusslicht.
Der Wohnungsbestand der Gebäude- und Wohnungsstatistik (GWS) zählte am 31.12.2019 4582272 Wohnungen in allen räumlichen Kombinationen. Die am häufigsten leerstehende Kombination ist die 3-Zimmer- Wohnung: 26070 warteten am 1. Juni 2020 auf Bewohner. Dicht gefolgt von den 4-Zimmer-Wohnungen: 22665 stehen leer. Zusammen machen diese Wohnungskategorien also mehr als 60 Prozent der leerstehenden Mietobjekte aus. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Wohnungen mit drei oder vier Zimmer am häufigsten vorkommen.
Die publizierte Leerwohnungsziffer muss kritisch betrachtet werden. Die Zählung der Leerwohnungen wird von jedem Kanton einzeln durchgeführt und dann dem Bundesamt für Statistik (BfS) zur archivgerechten Aggregierung zugestellt. Und wie es sich für einen föderalistischen Staat gehört, geht jeder Kanton bei der Erhebung der Ziffer etwas anders vor, auch wenn vom BFS gewisse Richtlinien vorgegeben werden (siehe Kasten «Was zählt, was zählt nicht?»). Der HEV Schweiz rät deshalb, auch diese Statistik sorgfältig zu begutachten. Viele Wohnungen fliessen nicht in die Statistik ein, weil sie zum Beispiel online oder in einem Lebensmittelladen am Anschlagbrett ausgeschrieben werden. Solche Objekte erscheinen nie in der Leerwohnungsstatistik, obwohl sie neu vermietet werden können. Vor dem Hintergrund dieser unvollständigen Zählung erscheinen Ausdrücke wie «Wohnungsnot» oder «Wohnungsmangel» als plakative Schlagwörter. Deshalb würden es der HEV Schweiz und andere Immobilienakteure begrüssen, wenn die Gesetzesregelung eine Alternative zur Leerwohnungsziffer – zum Beispiel die Angebotsziffer – als Indikator für angespannte oder entspannte Immobilienmärkte nutzen würde.